Münsterland: Alte Automaten-Nostalgie lebt neu auf

Unbezahlte Werbung / Flipper-Frank und das Retro-Nerds-Arcade in Vreden

Veröffentlicht am 15.02.2022 von Flipper-News

Mit einem Smart Set von Willams (1969) hat alles angefangen. Im Jahr 1972 bekam der kleine Frank als Fünfjähriger den Flipper von seinem Vater als Geschenk in den Keller gestellt. Dieser war Automatenaufsteller in der Region Dorsten, nördlich des Ruhrgebiets. Echte Liebe war entfacht.

„Ich habe Stunden daran verbracht, so sehr habe ich das Gerät geliebt“, erklärt ‚Flipper-Frank‘ in der Rückschau. „Aus nostalgischen Gründen habe ich mir 2000 wieder einen Smart Set besorgt“, und der werde nun auch in der neuen Vereins-Arcade-Halle in seiner Wahl-Heimatstadt Vreden stehen, die nun im Frühjahr eröffnet. „Bei uns ist alles mindestens 20 Jahre alt!“

Williams Smart Set (1969)
Ein Williams Smart Set Flipper (1969 veröffentlicht – 4.500 Exemplare gebaut)

Hercules-Flipper gigantisch groß – bunte Mischung

Seine “Retro Nerds Münsterland e.V.“ mit rund 70 Mitgliedern sind seit 2018 ein gemeinnütziger Verein im westlichen NRW, der es sich auf die Fahne geschrieben hat, klassische Telespiel-Automaten, Flipper, alte Computer und Telespielkonsolen zu sammeln, zu reparieren und so für die Nachwelt zu erhalten. Ein alter Hercules-Flipper (Atari, 1979, Bild u.) ist dabei so gigantisch groß, dass die Kugel etwa den Umfang einer Billardkugel hat!

Die neue ARCADE in Vreden (NRW)
Die neue, größere ARCADE-Halle in Vreden (NRW) steht vor der Eröffnung | Bild: „Flipper-Frank“

Insgesamt gut 15 Flipper stehen in der neuen Arcade-Halle in Vreden. Einen typischen Adams-Family-Flipper oder Pacman-Automaten findet man immer seltener ‚in freier Wildbahn‘, und wenn es sie dann doch noch mal zufällig irgendwo gibt, sehen sie oft nicht mehr so gut aus wie früher. „Und genau da kommen wir ins Spiel. Wir suchen, finden, restaurieren, testen und spielen gemeinsam mit den Klassikern“, sagt der heute 54-Jährige. „Schade, dass die Kinder und Jugendlichen von heute nur noch digital spielen und virtuell flippern.“

Beinahe jeder im Retro-Nerds-Verein habe ein Gebiet, auf dem er sich gut auskennt, und kann damit den Klub weiter nach vorn bringen. Selbst wenn jemand nur starke Arme zum Tragen hat, sei er herzlich willkommen. Denn „die vielen Geräte wollen ja auch alle transportiert werden.“

So wie 2020, als man über acht Wochen lang in die größere Vredener Halle umzog – und plötzlich die Corona-Pandemie (fast) alles auf Eis legte. Nun soll es schon bald mit dem spielbaren „Museum“ weitergehen. „Wir haben die behördlichen Auflagen wie Barrierefreiheit in der neuen Halle nun alle nach und nach erfüllt und sind fest davon überzeugt, dass wir im Frühjahr endlich auch offiziell öffnen werden.“

"Flipper-Frank" D. (54) aus Vreden und ein Gorf von Bally Midway
„Flipper-Frank“ D. (54) aus Vreden und ein Gorf von Bally Midway | Bild: privat

Es stehen nämlich bei weitem nicht nur Flipper in Vreden. Noch mehr Geräte sind ganz alte Telespiele, elektro-mechanische Spielautomaten und Unterhaltungsgeräte. Diese sieht auch das Städtchen Vreden als gesellschaftlichen Wert und Kulturgut. Nostalgiker Frank: „Ich habe hier schon neue Leute in die Arcade-Halle hochkommen sehen, die Gänsehaut hatten. Das sind echte Kindheitserinnerungen, vielleicht vergleichbar mit prägenden Kirmeserlebnissen.“

Eine der größten Arcadehallen in Europa

Das neue „Klubhaus“ im Grenzgebiet zu den Niederlanden ist dann eine der größten Arcadehallen in Europa. Und auch in den anderen großen Arcades von heute wie in Karlsruhe und Seligenstadt laufen laut dem Inhaber aber nie restlos alle Geräte reibungslos. „Pro Ausschalten-Runde abends gehen hier auch schon mal zwei Geräte vorübergehend defekt. Das gehört halt dazu“, sagt er im Podcast von NRWision. Im folgenden Nerds-Video-Rundgang mit Frank könnt ihr viele Automaten ausführlich bewundern:

Rundgang durch die neue Arcade. Gamescom 2021 exklusiv

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Damit sein Vereinsbetrieb nicht nur technisch möglichst reibungslos, sondern auch behördlich rechtens ist, hat der Experte den e.V. gegründet. „Die Stadt Vreden hat uns mit offenen Armen empfangen. Der Kulturausschuss hier hat uns auch Gelder zur Verfügung gestellt, was ich unbedingt dankend erwähnen möchte“, sagt der Spieler, der bereits einmal bester Deutscher bei der Offenen Flipper-DM 2001 war (3.) und 2018 auch in der Doku „Gladbeck flippt aus“ mitwirkte.

„Diese Leidenschaft kam komplett von mir selbst. Mein Vater hat immer gesagt, ich soll beruflich lieber etwas anderes machen“, sagt Frank. Der Papa nahm den Filius damals im Job aber gerne mit zu den aufgestellten Automaten. In den Kneipen und Gaststätten hat sich ein Automatenaufsteller um alle Geräte, auch die Flipper gekümmert.

Die Kasse der Automaten wurde damals gemeinsam gezählt, der Wirt hat seinen Anteil bekommen: In den 90er-Jahren bis hoch zu 50 Prozent. Der Konkurrenzdruck stieg immer weiter, deshalb konnten auch die Gastronomen mehr einfordern. „Und unser guter Gewinn ging dann zu großen Teilen für Wartung, Teile und Fahrtkosten drauf. Das war ganz sicher kein 9-to-5-Job.“

Der Williams T2 vor dem XXXL-Flipper HERCULES
Der Williams T2 vor dem XXXL-Flipper HERCULES | Bild: Retro-Nerds Münsterland

Ende der 70er „hundert Mal so viele Flipper“

Ende der 70er-Jahre gab es „bestimmt hundert Mal so viele Flipper wie heute, die nicht nur in den Kneipen, sondern auch in Supermärkten oder sonst wo aufgestellt rumstanden“, sagt Flipper-Frank. „Damals fanden die sozialen Kontakte und Fachsimpelleien der Fans noch persönlich an den Automaten selbst statt. Etwa 1984 ist das Betreiben für nicht konzessionierte Geschäfte verboten worden, aber der große Hype war da ohnehin schon vorbei, weil die neuen Videospiele aufkamen.“ Das war auch eine kritische Zeit für Flipper, die bis zum Erscheinen des erfolgreichen Williams Space Shuttle (1984) vor dem kompletten Aus standen.

„Auf einem geliehenen Auto-Anhänger haben wir Ende der 80er-Jahre zweimal hochkant jeweils zehn Flipper zur Kippe gebracht und noch jeweils 100 DM für die Entsorgung bezahlt“, sagt Frank im NRWision-Podcast: „Das muss man sich mal vorstellen: Niemand hat die damals gratis abgeholt. Im Nachhinein tut das fast richtig weh, wenn man an den heutigen Wert denkt.“

Flipper-Frank: 1978 war der Pin-Peak

Flipper sammle und repariere er schon weit mehr als sein halbes Leben lang. Über die Williams-Maschinen Flash (1979 – siehe Bild oben), Firepower (1980) sei er zum ersten Black Knight und weiteren Lieblingen gekommen.

„Schon der Flash hat mit seinem durch die Abschuss-Bahn quasi geteilten Spielfeld einen enormen Eindruck auf mich gemacht. Das war damals etwas völlig Neues für uns.“ Auch der neue Sound der elektronischen Flipper oder der erste sprechende Black Knight 2000 als Kontrahent des Spielers habe ihn „völlig geflasht“, noch lange bevor DMD-Meilensteine wie der Terminator 2 (1991) das Licht der Welt erblickten.

KISS von Bally (1979)1978 war die Goldene Ära für Flipper: Bally hat in diesem Jahr rund 130.000 Flipper verkauft. In Chicago hatte man damals auch schon für den großen deutschen Markt gebaut. „Den Kiss-Schriftzug auf dem Kopfteil hat man deshalb schon für unseren Markt entnazifiziert mit dem Doppel-SS. In den Niederlanden z.B. aber nicht“, erklärt der 54-Jährige, der immer wieder ins nostalgische Schwelgen kommt, wenn er über seine Kindheit und Jugend spricht: „Ich bin ja auch als Kind mit zwei Mark noch kilometerweit mit dem Rad zu Automaten gefahren. Dann habe mich gefühlt wie der König.“

Auch auf dem Schulhof waren solche Stories mit neuen Highscores oder Tipps & Tricks immer ein Thema, bevor die Videogames dominant wurden. „Den 80er-Kids bin ich ja noch ein paar Jahre voraus. Mit Computern und Videospielen oder virtuellen Flippern habe ich als analoger Mensch noch immer nix zu tun“, so der ‚König der Flipper‘, der lieber einfach nur „Flipper-Frank“ genannt werden möchte.

Ruhig bleibt es bei seinen Retro-Nerds aber auch im beschaulichen Vreden an der niederländischen Grenze noch lange nicht: „Wir haben noch viel vor“ – ein paar Veränderungen stehen also im Sommer nach der (Neu-)Eröffnung ganz sicher noch an. Nicht nur, seinen zweiten Williams Smart Set aufstellen …

Videospiel Arcade beim Retro Nerds Münsterland e.V. in Vreden

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Vredener Umzug der Arcade-Halle | Bild: Retro-Nerds
Vredener Umzug der Arcade-Halle | Bild: Retro-Nerds
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Mehr zu Flipper-Frank im „Macher“-Video von Hornbach und in den pxlbrei- und NRWision-Podcasts:

https://www.youtube.com/watch?v=vlSAHoDBn8Q

https://www.youtube.com/watch?v=bGocgBNOS9g&t=6514s

https://www.nrwision.de/mediathek/levelmeister-retro-nerds-muensterland

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